Im Zweifel gilt Business vor Recht
Interview mit Rechtsanwalt Andreas Fischer
ISS: Herr Fischer, als Rechtsanwalt beraten Sie Unternehmen schwerpunktmäßig bei der Gestaltung ihrer Serviceverträge. Wie wichtig ist dabei das Thema Planungssicherheit für Ihre Mandanten?
Andreas Fischer: Die Frage möchte ich mit einer Anekdote beantworten: In einem Unternehmen „buddelte“ die Innenrevision vor einiger Zeit anlässlich einer Prüfung einen Servicevertrag – sage und schreibe – aus dem Jahr 1928 aus! Mit seinen knapp 90 Jahren hoch betagt, hatte also viel erlebt. Er war immer in Kraft, konnte aber in einer Frist von zwei Wochen zum Monatsende gekündigt werden. Auch wenn sich die Vertragsparteien offenbar als Partner verstanden: Planungssicherheit sieht anders aus. Der Betreiber möchte sich nicht kurzfristig nach einem neuen Servicepartner umsehen, der Dienstleister muss zum Beispiel Servicerouten planen. Aus diesem Grund werden heute bei Serviceverträgen typischerweise Laufzeiten vereinbart. Als Daumenregel gelten Laufzeiten zwischen einem und fünf Jahren, abgesichert durch sinnvolle Kündigungsfristen von in der Regel drei oder sechs Monaten.
Sie arbeiten mit der ISS Business School zum Thema „Rechtsfragen im Service“ zusammen. Führungskräften vermitteln Sie juristisches Basiswissen im Service. Laufzeiten von Serviceverträgen sind hier aber nur ein wichtiger Aspekt bei der Gestaltung des eigenen Servicebusiness.
Das Seminar gibt einen Überblick über die wichtigen Rechtsfragen im Servicegeschäft. Die Teilnehmer gewinnen Sicherheit im Umgang mit den servicespezifischen rechtlichen Herausforderungen, die ihnen Tag für Tag begegnen. Wir erarbeiten die Themen „Abschluss und Inhalt von Serviceverträgen“, „Ersatzteil- und Reparaturgeschäft“ und „Aspekte des Auslandsgeschäfts“ nahe an der Praxis der teilnehmenden Unternehmen. Viele Teilnehmer bringen sogar ihre aktuellen Serviceverträge für einen – sagen wir einmal – ersten Schulterblick direkt mit ins Seminar. Ein weiteres unserer Kernthemen treibt viele Serviceverantwortliche dabei immer wieder um: Haftung und Schadensersatz.
Warum ist die Haftung so ein heißes Thema?
In einem Seminar zeigte ein Unternehmen seinen Standardwartungsvertrag, der offenbar nicht von Juristen geprüft war. Er enthielt drei unterschiedliche Haftungsklauseln, die sich alle widersprachen. Juristisch bedeutet das: Drei Haftungsklauseln, keine gilt, es gilt das Gesetz. Damit haftet das Unternehmen beispielsweise für Produktions- und Gewinnausfall, ohne dass es eine Grenze nach oben oder einen Bezug zur Höhe der Vergütung gibt. Dies kann im Einzelfall – denken Sie an komplexe Fertigungen, die stillstehen, oder Logistikketten, die abbrechen, ein dramatisches Risiko sein. Das will verständlicherweise niemand eingehen. Wenn also ein Maschinen- oder Gerätehersteller Service anbietet, geht er dieses Haftungsrisiko ein, wenn es ihm nicht gelingt, es in dem Servicevertrag sinnvoll zu begrenzen. Dieses Haftungsrisiko steht also immer im Raum. Ein Beispiel dafür, wie wichtig der Rechtscheck im Service, in dem Seminar aber auch der Erfahrungsaustausch der Teilnehmer ist.
Stichworte Remote Service, Internet der Dinge, digitale Sensorik: Welche Auswirkungen haben diese Trends auf die Haftung und die Rechtssituation eines Unternehmens insgesamt?
Im Grunde kann man es auf eine einfache Formel reduzieren: Technologie erhöht das Haftungsrisiko! Ein Beispiel bei Aufzügen: Diese können – vor allen Dingen bei älteren Modellen – immer wieder einmal nicht bündig zur Etage halten, eine Stolperfalle also. Führt der Servicetechniker des Dienstleisters beispielsweise viermal im Jahr eine Inspektion der Anlage vor Ort durch und hat sie keine Stufen, kann das Serviceunternehmen in der Regel dafür auch nicht haftbar gemacht werden. Hier bleibt der Betreiber im Sinne seiner Verkehrssicherungspflicht in der Verantwortung. Er muss den Aufzug regelmäßig kontrollieren, so wie beispielsweise der Fahrzeughalter Reifendruck oder Beleuchtung prüft. Wenn aber – wie heute ja verbreitet – per Remote Service permanent auf eine Anlage geschaut wird, dann sind Unregelmäßigkeiten wie Stufen bei einem Aufzug, um im Beispiel zu bleiben, schnell sichtbar. Was macht das Serviceunternehmen jetzt? Es muss handeln, und zwar nach Maßgabe der im Vertrag vereinbarten Regeln, häufig Servicelevels genannt. Die Kontrolltätigkeit wird also insoweit durch die technologischen Möglichkeiten vom nutzenden Betreiber auf das monitorende Serviceunternehmen verlagert. Eine rechtlich korrekte Haftungsklausel wäre in beiden Fällen – mit und ohne Monitoring – dieselbe. Der Geschäftsvorfall, der dauerhafte Zugriff auf den Anlagenzustand durch das Monitoring, erhöht das Haftungsrisiko aber faktisch.
Kurz gesagt: Ein Servicevertrag muss von Anfang an sauber definiert werden...
An dieser Stelle haben viele Unternehmen Handlungsbedarf. Ich höre immer wieder von Seminarteilnehmern: „Wir haben zwar einen Servicevertrag, aber ob das ein guter Vertrag ist, können wir nicht wirklich einschätzen.“ Im Seminar kann ich dann Hinweise geben, worauf die Serviceanbieter unter anderem bei der Haftung zu achten haben: Hier sind nach meiner Einschätzung Fragen nach klar gezogenen Leistungsgrenzen und Mitwirkungspflichten heute sehr viel wichtiger als – sagen wir einmal – eine „fein gesponnene“ Haftungsklausel. Bei einer weiter gehenden Beratung unterstützt man dann die Unternehmen dabei, stabile Verträge zu definieren, die die Serviceleistungen regeln. Mit einer solchen vertraglichen und rechtlichen Absicherung des Serviceprozesses hilft man Unternehmen dann, ein kontinuierliches, planbares Servicegeschäft aufzubauen. Dabei sollte aber das eigentliche Business immer im Mittelpunkt stehen.
Ausgerechnet Sie als Anwalt stehen hier – verkürzt formuliert – für die Aussage „Business vor Recht“. Wie meinen Sie das?
Wenn eine Vertragsbeziehung rechtlich zu durchleuchten ist, muss man natürlich die Risiken aufzeigen. Im Zweifelsfall, wenn es sich also nicht um harte Verbote – Stichwort Kartellrecht oder klar unwirksame Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen – handelt, entscheidet in der Regel das Business, das Recht sichert hier nur ab: Die Risiken abzuwägen und dabei die richtige Balance zu finden, ist letztlich die Aufgabe eines jeden Unternehmens. Wenn Sie dagegen nur aus der rechtlichen „Vorsichtsecke“ heraus denken und nur noch Risiken sehen, machen Sie im Zweifel kein Business mehr. Daher: Der Vertrag muss das Geschäftsmodell abbilden und die Beteiligten müssen sicherstellen, dass das, was im Vertrag steht, in den jeweiligen Prozessen, heute insbesondere in den jeweiligen IT-Welten, funktioniert und gelebt wird. Aus so sinnvoll gestalteten Verträgen und Prozessen sollte dann eine partnerschaftliche Beziehung zwischen dem Serviceanbieter und dem Auftraggeber entstehen. Und eine solche partnerschaftliche Haltung – das zeigt die Erfahrung – stärkt am Ende die Beziehung zum Kunden und führt – um zu Ihrer Eingangsfrage zurückzukehren und den Kreis zu schließen – zu Planungssicherheit auf beiden Seiten.
Herr Fischer, vielen Dank für das Gespräch.
Das nächste Seminar „Rechtsfragen im Service“ bietet die ISS International Business School of Service Management am 12. September 2016 im Rahmen des Service Manager Lehrgangs in Hamburg gemeinsam mit dem Thema „Management von Servicepartnern“ an: weitere Informationen