Digitalisierung – Benchmarks und Lösungswege für mehr Ertrag und Kundenbindung
Wie geht Digitalisierung erfolgreich? Welche Eigenschaften braucht ein Unternehmen, um sich digital richtig aufzustellen? Arvato ist Gastgeber der SPECTARIS Servicetagung am 23. März 2017 in Düren. Im Interview mit Michael René Weber, ISS International Business School in Hamburg, nimmt Dr. Thorsten Winkelmann, Geschäftsführer von Arvato Healthcare, vorab Stellung und zeigt auf, welche Bedeutung Digitalisierung für Arvato hat und welche Digital Trends für den zukünftigen Unternehmenserfolg zu beachten sind.
Michael René Weber: Hallo Dr. Winkelmann, wie wird man ein „Digitales Unternehmen“ und so erfolgreich?
Dr. Thorsten Winkelmann: Arvato erbringt nicht nur Logistikdienstleistungen, sondern auch Customer Service, CRM- und Finanzdienstleistungen und Online-Marketing, also ein ziemlich breites Leistungsspektrum, die den Vertriebsprozess unterstützen.
Wenn man dann noch weiß, dass Arvato ja zu Bertelsmann gehört, dann ist der Sprung zur Digitalisierung ziemlich kurz. Ich bin jetzt 20 Jahre dabei und damals haben wir uns schon mit digitalen Wertschöpfungsketten beschäftigt. Bertelsmann hatte viele interessante Ansätze, oft haben andere zunächst das Spiel gemacht, bevor Bertelsmann dann mit ganz neuen Geschäftsmodellen wieder eingestiegen ist, z.B. in der Musikindustrie.
Michael René Weber: Das hat Bertelsmann aber gut überwunden – wie ist es bei Arvato?
Dr. Thorsten Winkelmann: Ja, nicht nur in der Musik, sondern z.B. auch bei Büchern hat Bertelsmann einen ziemlich guten Weg bei der Digitalisierung eingeschlagen.
Und bei Arvato als Dienstleister haben wir uns schon sehr früh damit beschäftigt, wie Digitalisierung die Prozesse beeinflusst. So haben wir z.B. bei der Kundendienstliteratur und bei Bedienungsanleitungen für die
Automobilindustrie bereits vor 15 Jahren angefangen digital zu produzieren und zu publizieren, anfangs waren es noch über Digital Rights Management geschützte Downloads von Files, heute entwickeln wir Apps.
Michael René Weber: Und die Digitalisierung...
Dr. Thorsten Winkelmann: ...ist uns daher immer in der DNA eingepflanzt gewesen. Wir haben uns mit der Digitalisierung schon beschäftigt als vielleicht der eine oder andere unserer Wettbewerber sich noch auf das Thema Warehousing und Transport spezialisiert hat.
Michael René Weber: Ausgangspunkt für Arvato war dann Bertelsmann und das Thema Tonträger und Bücher. Dort ist das Thema Digitalisierung ja ziemlich früh eingeschlagen.
Dr. Thorsten Winkelmann: Vor 20 Jahren hat Arvato relevante Umsätze tatsächlich noch im Mediengeschäft gemacht. Dann kamen frühzeitig weitere Branchen dazu, wie Automobilhersteller, Banken und Versicherungen. Der Eintritt in die Märkte, die weniger mediennah waren, erfolgte in den 1990er Jahren – Telekommunikation und dann die Softwareindustrie sind hier die Stichworte. Anfang der 2000er Jahre ist Arvato in das Konsumgütersegment und auch in die von mir verantwortete Medizintechnik und Pharma industrie eingestiegen.
Michael René Weber: Und hier nutzen Sie dann auch das digitale Know-how von Arvato, haben Sie da ein Beispiel parat?
Dr. Thorsten Winkelmann: Ein konkretes aktuelles Beispiel kommt aus unserer Business Unit Consumer Products. Da geht es nicht nur um das Warehousing und den Transport im Kosmetik und Fashion E-Commerce, sondern auch um Agenturleistungen: Wir gestalten Webseiten, die User inspirieren. Hier kommt es zum Bespiel darauf an, in welcher Farbe ein Banner gestaltet wird oder wie ein bestimmtes Menu angeordnet wird, oder wie viele Klicks der User bis zum Kauf benötigt. Dieses Know-how und insbesondere auch das der dahinter stehenden Prozesse und IT übertragen wir jetzt in den Healthcare Bereich. Wir bauen da ein kleines Team in Hamburg auf, holen uns auch Experten von extern mit spezifischem Wissen im Gesundheitsmarkt dazu. Die IT Entwicklung verantworten dahingegen die Mitarbeiter, die zuvor schon E-Commerce Lösungen für die Fashion Industrie entworfen und gebaut haben.
Michael René Weber: Das heißt, Arvato entwickelt für seine Kunden die Webseite und sorgt für Kundengewinnung im Netz, die Abwicklung der Finanzprozesse und die Vertriebslogistik inklusive Retouren.
Welche Fähigkeiten braucht Ihr Team?
Dr. Thorsten Winkelmann: Das eine ist Kreativität. Wir kommen als Outsourcing Dienstleister normalerweise nicht ins Spiel, wenn es darum geht, einen Wettbewerber nochmal um 10% zu unterbieten. Arvato ist besonders dann gefragt, wenn neue Vertriebswege aufgebaut oder wenn Logistikstrukturen in Europa neu aufgesetzt werden sollen. Wir geben unseren Mitarbeitern eine große Freiheit, solche kreativen Lösungen zu finden. Aber sie tragen auch die Verantwortung, diese Lösungen zum Erfolg zu führen. Wenn man das ernst nimmt, setzt das Dezentralität und Delegation von Verantwortung voraus.
Michael René Weber: Ok. DNA Gene für eine erfolgreiche Digitalisierung sind also Kreativität, Freiheit und der Erfolgswillen und Sie haben ergänzt, eine dezentrale Struktur und Delegation von Verantwortung. Wie steht es mit Kundenfokus und Kundennutzen, dem Ziel, Mehrwert zu schaffen?
Dr. Thorsten Winkelmann: Kundenumfragen bestätigen uns immer wieder, dass wir zuverlässig und – salopp ausgedrückt – immer mit „voller Power“ an einer Lösung arbeiten. Das bestätigt unseren Erfolgswillen, das unternehmerische Denken auf allen Ebenen und damit auch den Kundenfokus. Nur wenn unsere Kunden einen Mehrwert erhalten, wird auch Arvato nachhaltig erfolgreich sein.
Michael René Weber: Jetzt kennen wir die DNA Gene für Digitalisierung. Warum sind diese Eigenschaften so wichtig? Welche Bedeutung hat Digitalisierung heutzutage für Unternehmen?
Dr. Thorsten Winkelmann: Viele unserer Dienstleistungen wären heute ohne Digitalisierung gar nicht denkbar. Als ich vor 20 Jahren angefangen habe war der Versandhandel mit Quelle und Neckermann etwas verstaubt. Heute führt die Digitalisierung im Endkundengeschäft – und Amazon ist im Kern nichts anderes als Versandhandel – zu einem sexy Image. Im Konsumgütergeschäft kann man von einem E-Commerce Potenzial von 20% plus eigentlich in jeder Category ausgehen. Früher waren es im klassischen Versandhandel gerade mal 7 oder 8%. Die aktuelle Diskussion zum „Sterben der Innenstädte“ zeigt zusätzlich, welche Wirkung die Digitalisierung auf den Einzelhandel hat.
Michael René Weber: Wie sieht es bei Arvato aus?
Dr. Thorsten Winkelmann: Für uns als Dienstleister sind wesentliche Segmente unseres Geschäfts ohne Digitalisierung überhaupt nicht vorstellbar. Das sind zunächst die Bereiche Kundenkommunikation und Marketing im weitesten Sinne. Dazu kommt aber auch die Vernetzung der Logistikketten – der Supply Chains – durch Digitalisierung. Hier stehen wir aus meiner Sicht noch ziemlich am Anfang.
Michael René Weber: Die Vernetzung der Logistikketten hat immer noch Potential?
Dr. Thorsten Winkelmann: Ja, da betrachten wir zunächst einmal unsere logistische Kernwertschöpfung die Arbeit im Lager. Wir arbeiten in Pilotprojekten mit Virtual Reality Brillen und Pick-by-Voice und Pick-by-Point Systemen, also Technologien, die dem Kommissionierer das Finden und Identifizieren der Ware erleichtern. Wenn man schließlich über das Lager hinausgeht, gibt es noch viel Potenzial: Die Vernetzung mit anderen Logistikdienstleistern, zum Beispiel mit Transporteuren oder mit anderen Lagerstufen oder auch mit den Ordersystemen der Endkunden. Geht man weiter zum Thema IOT – dem Internet of Things – kommt man beispielsweise zur Vernetzung mit Smart Home Ansätzen oder dem Dash-Button von Amazon. Zwar befinden wir uns bei diesen Systemen noch ziemlich am Anfang, es ist aber klar absehbar, dass diese sich durchsetzen werden. Daraus werden ganz neue Prozesse und möglicherweise auch neue Geschäftsmodelle entstehen.